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DER MARIANISCHE PAPST
Papst Pius XII. ist bereits in die Geschichte als der große Inspirator
und Mitgestalter des marianischen Zeitalters eingegangen. Schon als Kamerlengo
des Konklaves, das ihn am 2. März 1939 zum Papst wählen sollte, hat er
eindeutig die Wahl und die Richtung der kommenden Wirksamkeit des Oberhauptes
der Kirche unter den Schutz der Mutter vom Guten Rat gestellt. Einmal Papst
geworden und in den furchtbaren Zweiten Weltkrieg hineingeworfen, wandte er sich
mit einem klaren marianischen Bekenntnis an seinen Staatssekretär, Luigi
Maglione, am Feste der Unbefleckten Empfängnis 1939:
«In freudiger und aufrichtiger Bezeugung dessen, was wirklich ist,
bekennen Wir, dass Unser Priesteramt, das von der Gottesmutter seinen Anfang
nahm, von ihr auch seinen Fortgang erlangt hat. Denn wenn Wir etwas Gutes, etwas
Rechtes, etwas für den katholischen Glauben Ersprießliches vollbracht haben,
so rühmen Wir uns nicht in Uns selbst, sondern in Gott und in Unserer Herrin
und erachten darum den Jubel dieser Feier für berechtigt. In Mariens Treue und
Schutz angenommen, rufen Wir in allen Zweifeln und Ängsten, in denen Wir Uns
oft befinden, die liebreichste Mutter an und empfingen von ihr, niemals der
sichern Hilfe beraubt, über die sie verfügt, Licht, Schutz und Trost.» In der
Bulle anlässlich der Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Mariens weist er
mit vollem Nachdruck darauf hin, dass er «sein Pontifikat dem besondern Schutz
der seligsten Jungfrau geweiht hat, zu der er in den Wechselfällen traurigster
Ereignisse seine Zuflucht genommen hat».
In der Enzyklika «Ad Caeli Reginam», in der er das Fest Maria Königin
einsetzte, legte er die Absichten und Ziele seines Pontifikates in unmissverständlicher
Weise dar: «Jedermann weiß, dass Wir bei allen Gelegenheiten, in den
Ansprachen, bei den Audienzen und auch in den Rundfunkansprachen in die Ferne,
alle Gläubigen ermahnt haben, aus ganzem Herzen ihre gütige und mächtige
Mutter zu lieben, wie es Kindern zukommt.
Wir möchten hier erinnern an die Rundfunkbotschaft an das portugiesische
Volk bei Gelegenheit der Krönung des wundertätigen Bildes von Fatima, die Wir
selbst die Botschaft vom ‚Königtum Mariens’ genannt haben. Wir möchten nun
die vielen Erweise Unserer Verehrung für die Mutter Gottes, die das christliche
Volk mit solchem Eifer aufgegriffen hat, gewissermaßen krönen und in glücklicher
Weise das Marianische Jahr beschließen.»
Den tieferen Grund dieser marianischen Zielrichtung seines Pontifikates
sieht er in dem gewaltigen Vorrecht, das Maria nach dem Willen Gottes in der
Zuwendung der Gnaden erhalten hat. Pius XII. erläutert bereits ein Jahr nach
seiner Papstwahl in einem Brief vom 15. April 1940 an seinen Staatssekretär,
Kardinal Maglione, dieses Privileg Mariens: «Da ja, wie St. Bernhard
versichert, es so der Wille Gottes ist, der wollte, dass wir alles durch Maria
haben (Predigt für das Fest Maria Geburt), mögen alle zu Maria ihre Zuflucht
nehmen, zu ihrem hochheiligen Altar ihre Bitten, Tränen und Schmerzen bringen,
von ihr ebenfalls Linderung oder Trost erflehen. Denn eine solche Gnade besitzt
die Selige Jungfrau bei Gott, über eine solche Macht verfügt sie bei ihrem
Eingeborenen, dass, wer auch immer als Hilfsbedürftiger nicht zu ihr eilt, zu
fliegen versucht, wie Dante singt, ohne Flügelschlag (Paradies XXXIII, 13
—15). Gewiss ist sie die mächtigste Gottesmutter, weil sie in uns die
angenehmsten Empfindungen weckt, ebenso sehr die lieblichste Mutter.»
Dasselbe Zitat des heiligen Bernhard über die Gnadenvermittlung Mariens
findet sich in der Enzyklika «Mediator Dei» über die heilige Liturgie vom 20.
November 1947: «Unter den Heiligen wird aber in überragender Weise die jungfräuliche
Gottesmutter verehrt. Ihr Leben ist infolge des ihr von Gott verliehenen Amtes
ganz eng verflochten mit den Geheimnissen Jesu Christi, und zweifellos ist
niemand ähnlicher und lebenswirklicher in die Spuren des menschgewordenen
Wortes getreten als sie. Niemand besitzt beim heiligsten Herzen des Gottessohnes
und durch es beim himmlischen Vater mehr Gnade und Macht. Sie ist selbst
heiliger als Seraphim und Cherubim, und auch vor den übrigen Heiligen besitzt
sie ohne Zweifel größere Herrlichkeit, «ist sie ja voll der Gnade» und ist
sie ja die Gottesmutter, die uns durch ihre glückselige Geburt den Erlöser
geschenkt hat. Zu ihr also, «der Mutter der Barmherzigkeit, dem Leben, der Süßigkeit
und unserer Hoffnung» wollen wir rufen, «seufzend und weinend in diesem Tal
der Tränen», und wir wollen uns und alle unsere Angelegenheiten zuversichtlich
ihrem Schutze anvertrauen. Sie ist unsere Mutter geworden, als der göttliche
Erlöser das Opfer seiner Selbst darbrachte, und durch den nämlichen
Rechtstitel sind wir ihre Kinder. Sie lehrt uns alle Tugenden, sie gibt uns
ihren Sohn und mit ihm zusammen alle Hilfen, die wir notwendig haben. Denn es
war «der Wille Gottes, dass wir alles durch Maria haben sollten».
Am 30. Juni 1946 wandte er sich an alle Gläubigen bei Gelegenheit des
700. Jubiläums des Fronleichnamsfestes in Lüttich und wies auf die
Herzensgemeinschaft hin, die zwischen Christus und seiner Mutter besteht und
dieser ihre vermittelnde Macht gibt: «Das ist der Gegenstand Unseres innigen
Flehens, das aus Unserem Herzen emporsteigt zum Herzen Jesu, das durch das
Unbefleckte Herz der Mutter und Mittlerin Maria vorgestellt wird. Sie möge auf
uns die Fülle aller Gnaden herabziehen.»
Am 1. Mai 1948 weist er in seiner Enzyklika «Auspicia quaedam» bei den
drohenden Gefahren für den Weltfrieden auf die vermittelnde Macht Mariens hin,
die er darum gerade im Maimonat besonders angerufen wissen wollte: «Möge
unsere gütige Mutter, die Helferin in jeglicher Not und Gefahr und Mittlerin göttlicher
Gnaden, es erwirken, dass auch in dieser bedrängten Lage die schweren Gefahren,
die alle ängstigen, beseitigt werden und eine Ruhe und Sicherheit und Freiheit
der Kirche und den Völkern beschert sein möge.»
Bei der Krönung des Marienbildes zu Fatima mit einer goldenen Krone führte
Pius XII. am 13. Mai 1946 aus: «Zusammen mit dem Herrn sei gesegnet die, welche
er angestellt hat als Mutter der Barmherzigkeit, unsere geliebte Königin und Fürsprecherin,
die Mittlerin seiner Gnaden. Er, der Gottessohn, lässt auf die himmlische
Mutter die Majestät und die Herrlichkeit seines Königtums herabstrahlen. Sie
ist als Mutter und Dienstmagd mit dem König der Märtyrer verbunden in dem Erlösungswerk
der Menschen. Sie ist mit ihm für immer verbunden, mit einer beinahe
unbegrenzten Macht in der Austeilung der Gnaden, die aus der Erlösung
hervorgehen.»
Das vermittelnde «Per Mariam», das bei der Ansprache an die Gläubigen
Belgiens anklang, war schon stark in dem Brief des Papstes an seinen
Staatssekretär vom 15. April 1942 hervorgetreten: «Da ja gestattet ist, durch
Maria alles zu erhoffen, so mögen alle zu ihr gehen, zumal im kommenden Monat
(Mai), der ihr in besonderer Weise geweiht ... Wie ja alle wissen, wird, wie
Jesus Christus König des Weltalls und Herr der Herren ist, in dessen Hand das
Geschick aller Bürger und Völker liegt, so auch seine hehre Mutter Maria, die
Königin der Welt, von allen Christgläubigen geehrt, sie hat eine so große fürbittende
Macht bei Gott erhalten. Wenn das erste wunderbare Zeichen, das der göttliche
Erlöser in Kana in Galiläa wirkte, ihrer fürbittenden Barmherzigkeit
geschuldet wird, wenn ihr eingeborener Sohn, der sterbend am Kreuze hing, das
Teuerste, das ihm noch auf Erden verblieb, uns zurückließ, da er uns nämlich
seine Mutter als Anteil zurückließ, wenn endlich im Laufe der Jahrhunderte
unsere Vorfahren in jeglicher Gefahr, mochte es eine öffentliche oder private
sein, zu ihr flehend und vertrauend ihre Zuflucht nahmen, warum, so sagen Wir,
sollen wir nicht uns und alles Unsrige in einem so furchtbaren und kritischen
Augenblick der Übel, unter dem wir so lange schon leiden, ihrem so mächtigen
Schutze anheim geben? Wie alles dem ewigen Willen Gottes gehorcht und folgt, so
kann der Vergelter — Gott Vater — die liebreiche Güte seines Eingeborenen
durch die Bitten der jungfräulichen Gottesgebärerin bestätigen, zumal
dieselbe selige Jungfrau sich im Himmel der ewigen Seligkeit erfreut und,
umwunden mit dem triumphierenden Kranz, begrüßt wird als Königin der Engel
und Menschen. Wenn ihre Macht bei Gott so groß ist, so ist sie mit nicht
geringerer Liebe zu uns erfüllt, da sie unser aller liebreichste Mutter ist.»
Dieses «Per Mariam» wiederholte mit besonderem Nachdruck Pius XII. am
9. April 1944: «Schließlich tritt der Schutz der jungfräulichen Gottesmutter
aus diesem Grunde in diesem Augenblick auf. Alle diese Bitten und Sühneleistungen
mögen sich zu jenen Bitten und Sühneleistungen fügen, mit denen das göttliche
Herz, das sich selbst im allerheiligsten Altarssakrament opfert, beim ewigen
Vater für uns bittet. Ja sogar, während sich dies alles mit den Bitten des göttlichen
Herzens Jesu vereinigt — bis ins Unendliche vermehrt —, bieten sie es durch
das unbefleckte Herz Mariens dem Vater der Barmherzigkeit an.»
Maria ist somit hineingezogen in die Gemeinschaft ihres Sohnes. Diese
Verbindung mit dem Sohne Gottes, der zugleich ihr Sohn werden wollte, ist der
unleugbare Grund ihrer Gnadenvermittlung. In klarer Weise finden wir die Art
dieser Vereinigung in dem berühmten Nachwort zur Enzyklika über den Mystischen
Leib vom 29. Juni 1943: «Möge die jungfräuliche Gottesmutter diesen Unseren Wünschen,
die gewiss auch die euren sind, zur Verwirklichung helfen und allen eine unverfälschte
Liebe zur Kirche erflehen. Ihre hochheilige Seele war mehr als alle anderen von
Gott erschaffenen Seelen vom göttlichen Geiste Jesu Christi erfüllt. Sie hat
ihre Zustimmung gegeben «im Namen der ganzen menschlichen Natur», dass «sich
zwischen dem Sohne Gottes und der Menschennatur eine Art geistlicher Ehe vollzog»
(Thomas von Aquin, III, p. 80, a. 1). Sie hat Christus, den Herrn, der schon in
ihrem jungfräulichen Schoß mit der Hoheit des Hauptseins umkrönt war, in
Wundern geboren, den Quell des himmlischen Lebens. Sie hat den Neugeborenen
denen, die Ihm aus Juden- und Heidenland die erste Anbetung zollten, als
Prophet, König und Priester dargereicht. Ihr Einziggeborener hat auf ihre
Mutterbitte «zu Kana in Galiläa» das Wunderzeichen gewirkt, auf das hin «seine
Jünger an ihn glaubten» (Joh. 2, 11). Sie hat, frei von jeder persönlichen
oder erblichen Verschuldung und immer mit ihrem Sohn aufs innigste verbunden,
Ihn auf Golgatha zusammen mit dem gänzlichen Opfer ihrer Mutterrechte und ihrer
Mutterliebe dem Ewigen Vater dargebracht, als neue Eva für alle Kinder Adams,
die von dessen traurigem Fall entstellt waren. So ward sie, schon zuvor Mutter
unseres Hauptes dem Leibe nach, nun auch aufgrund eines neuen Titels des Leidens
und der Ehre im Geiste Mutter aller seiner Glieder. Sie war es, die durch ihre mächtige
Fürbitte erlangte, dass der schon am Kreuz geschenkte Geist des göttlichen Erlösers
am Pfingsttag der neugeborenen Kirche in wunderbaren Gaben geschenkt wurde. Sie
hat endlich dadurch, dass sie ihr namenloses Leid tapfer und vertrauensvoll
trug, mehr als alle Christgläubigen zusammen, als wahre Königin der Märtyrer
«ergänzt, was an den Leiden Christi noch fehlt ..., für seinen Leib, die
Kirche» (Kol. 1, 24). Sie hat den geheimnisvollen Leib Christi, der aus dem
durchbohrten Herzen des Heilandes geboren ward (vgl. Offizium des göttlichen
Herzens Jesu, Vesperhymnus), mit derselben innigen Mutterliebe und Sorge
begleitet, womit sie das Jesuskind in der Krippe und an ihrer Brust umhegte und
nährte. Ihrem unbefleckten Herzen haben "Wir vertrauensvoll alle Menschen
geweiht. Möge sie, die hochheilige Mutter aller Glieder Christi (vgl. Pius X.
Ad diem illum, AAS 36, S. 433), die jetzt in der Himmelsglorie mit Leib und
Seele erstrahlt und droben bei ihrem Sohne herrscht, von Ihm inständig
erflehen, dass reiche Ströme der Gnade unaufhörlich herabfließen vom
erhabenen Haupte auf alle Glieder des geheimnisvollen Leibes. Möge sie mit
ihrer wirksamen Fürsprache wie in vergangenen Zeiten, so heute die Kirche schützen
und ihr sowie der ganzen Menschheit endlich friedlichere Zeiten von Gott
erlangen.»
Elf Jahre später, am 11. Oktober 1954, greift Pius XII. in der Enzyklika
«Ad Caeli Reginam» dieselben Gedanken über die vermittelnde Macht Mariens
auf: «Um die erhabene Würde zu verstehen, welche die Mutter Gottes über alle
Kreatur hinaus erlangt hat, können Wir in Betracht ziehen, dass die heilige
Jungfrau seit dem ersten Augenblick ihrer Empfängnis mit einer solchen Fülle
von Gnade überhäuft wurde» wie sie die Gnade aller Heiligen übersteigt. Wie
unser Vorgänger Pius IX. seligen Angedenkens in seiner Bulle «Ineffabilis Deus»
sagt: ,Vor allen Engeln und allen Heiligen hat der unaussprechliche Gott Maria
freigebig mit allen himmlischen Gaben beschenkt, die im Schatz der Gottheit
aufgehäuft sind. Auch hat sie, immer bewahrt selbst vor dem kleinsten Flecken
der Seele, ganz schön und vollkommen, eine solche Fülle von Unschuld und
Heiligkeit erlangt, wie man sie sich außer Gott größer nicht denken kann und
die niemand außer Gott erfassen wird.' Und weiter hat die allerseligste
Jungfrau nicht allein nach Christus die oberste Stufe der Erhabenheit und
Vollkommenheit erlangt, sondern sie nimmt in gewisser Weise auch teil an der mit
Recht so genannten Herrschaft ihres Sohnes, unseres Erlösers, über den Geist
und den Willen der Menschen. Wenn das göttliche Wort die Wunder vollbringt und
seine Gnade spendet durch das Mittel seiner Menschheit, wenn es die Sakramente
und die Heiligen gleichsam als Instrumente für das Heil der Seelen gebraucht,
warum kann es sich nicht seiner allerheiligsten Mutter bedienen, um uns die Früchte
seiner Erlösung zu spenden? ,Wahrlich mit mütterlichem Herzen', so sagt
ebenfalls Unser Vorgänger Pius IX. ,Ist sie bekümmert um unser Heil, beschäftigt
sich mit dem Menschengeschlecht, da sie vom Herrn zur Königin des Himmels und
der Erde erhoben wurde und über den Chören der Engel und aller Heiligen zur
Rechten ihres Sohnes, Jesu Christi, unseres Herrn thront. Sie erlangt Gehör
durch die Macht ihrer mütterlichen Fürbitte, sie erhält alles, was sie
erfleht, und erfährt niemals Ablehnung.' Hierzu erklärt ein anderer Unserer
Vorgänger, Leo XIII. seligen Andenkens, dass die seligste Jungfrau Maria über
eine «fast unbegrenzte» Macht verfügt, um Gnade zu erlangen, und der heilige
Pius X. fügt hinzu, dass Maria dieses Amt sozusagen kraft mütterlichen Rechtes
ausübe.» Diese Gedanken fasst Pius XII. in seiner Ansprache bei Gelegenheit
der Dogmatisierung der Himmelfahrt Mariens kurz zusammen: «Wir werden nicht müde,
diese Welt daran zu erinnern, dass nichts die Tatsache und das Bewusstsein übertreffen
soll, dass wir alle Kinder einer gleichen Mutter, Maria, sind, die im Himmel
ist, sie, die als Band der Einigung für den mystischen Leib Christi eine neue
Eva, eine neue Mutter der Lebenden ist, die alle Menschen der Wahrheit und der
Gnade ihres göttlichen Sohnes nahe bringen will.»
Ebenso klar hatte er bereits in seiner Ansprache an den Eucharistischen
Kongress in Havanna am 25. März 1947 die Mittlerschaft Mariens ausgesprochen
und die Gottesmutter dargestellt als die «Mutter der göttlichen Gnade, weil
sie uns, als Eva die Frucht gegessen hatte, die vom ewigen Leben entfernte, eine
neue Frucht angeboten hat, die uns die Türen des ewigen Gastmahls öffnet.»
Unter dem Eindruck des einzigartigen Vorrechtes Mariens in der
Gnadenvermittlung fühlte Pius XII. sich gedrängt, diese Macht für die
friedlose Menschheit während des grausamen Völkerringens fruchtbar zu machen
und die Kirche und die ganze Welt dem Unbefleckten Herzen Mariens zu weihen.
Dies geschah am 31. Oktober und am 8. Dezember 1942. In diesem Gebet breitet er
den Reichtum der vermittelnden Wirksamkeit Mariens aus: «Du Königin des
heiligen Rosenkranzes, du Hilfe der Christen, du Zuflucht des
Menschengeschlechtes, du Siegerin in allen Schlachten Gottes ... Erflehe jene
Gnaden, welche die menschlichen Herzen in einem Augenblick umwandeln können,
jene herrlichen Gnaden, die den Frieden vorbereiten, schließen und sichern. Königin
des Friedens, erbitte den Frieden in der Wahrheit, in der Gerechtigkeit und in
der Liebe Christi.» In demselben Gebet übergibt der Papst der Sorge Mariens «die
heilige Kirche, sie ist der mystische Leib deines Sohnes Jesus Christus. Wir übergeben
dir die ganze Welt, die von wilder Zwietracht zerrissen wird und in einem
Feuermeer des Hasses brennt». Diese Weihe betrachtete Pius XII. als die
hochbedeutsame Tat seines Pontifikates, auf die er häufig zurückkam und die er
von der ganzen Kirche nachvollziehen ließ. Auf diese Weise suchte Pius XII. der
Kirche deutlich die Tatsache vor Augen zu stellen, dass Maria nicht nur Mutter
Jesu, sondern ebenso unsere Mutter ist, ja dass sie gerade durch die Verbindung
als Mutter mit ihrem göttlichen Sohn erst eigentlich auch unsere Mutter wird,
der wir unser Gnadenleben zu verdanken haben. So führte er in seiner
Radiobotschaft an den Marianischen Kongress in Kanada am 19. Juni 1947 aus: «Doch
als die niedrige Jungfrau von Nazareth bei der Botschaft des Engels ihr Fiat
sprach und das Wort in ihrem Schoß Fleisch geworden war, wurde sie nicht nur
die Mutter Gottes in der physischen Ordnung der Natur. In der übernatürlichen
Ordnung der Gnade wurde sie auch die Mutter von allen, die durch den Heiligen
Geist unter ihrem Sohn als Haupt vereinigt werden sollten. Die Mutter des
Hauptes sollte die Mutter der Glieder werden, die Mutter des Weinstockes, die
Mutter der Zweige.»
In seiner Radiobotschaft an den Marianischen Kongress in Südafrika am 4.
Mai 1952 unterstreicht er noch einmal diese Tatsache: «Sie ist die gütigste
und mächtigste Mutter Gottes und unser aller Mutter» und begründet diese
Macht ihrer vermittelnden mütterlichen Fürsprache mit den Worten des
Acathistus: «In einzigartiger Weise ist dir, heiligste und reinste Mutter
Gottes, das Vorrecht verliehen, dass du dich selbst immer erhört siehst.»
Mit derselben Eindringlichkeit legt Pius XII. in seiner
Herz-Jesu-Enzyklika vom 15. Mai 1956 «Haurietis aquas» denselben Gedanken dar:
«Ein sehr kostbares Geschenk des heiligsten Herzens Jesu ist auch, wie
Wir sagten, Maria, die hehre Mutter Gottes und unser aller liebevollste Mutter.
Sie, die ja unseren Heiland dem Fleische nach gebar und seine Gefährtin war bei
der Rückführung der Kinder Evas zum göttlichen Gnadenleben, sie ist mit Recht
als geistige Mutter des ganzen Menschengeschlechtes gegrüßt worden. Im
Hinblick darauf schreibt der heilige Augustinus über sie: Ganz Mutter der
Glieder des Heilandes, die wir sind, weil sie mitgewirkt hat in Liebe, dass Gläubige
in der Kirche geboren würden, die Glieder jenes Hauptes sind ...»
«Damit sich aber aus dem Kult des heiligsten Herzens Jesu auf die
christliche Familie, ja die ganze Menschheit ein reicherer Segen ermesse, mögen
die Christgläubigen mit ihm auch die Verehrung des Unbefleckten Herzens der
Gottesmutter eng verbinden. Denn da nach dem Willen Gottes bei der Durchführung
des Erlösungswerkes der Menschheit die allerseligste Jungfrau Maria mit
Christus derart untrennbar verbunden war, dass das Heil uns aus der innigen
Verbindung der Liebe und der Leiden Christi mit der Liebe und den
Schmerzen auch der Mutter kam, ist es recht und angebracht, dass durch
das christliche Volk, das ja sein göttliches Leben von Christus durch Maria
empfangen hat, nach der gebührenden Andacht zum heiligsten Herzen Jesu auch dem
liebevollen Herzen der himmlischen Mutter Erweise der Anhänglichkeit, der
Liebe, dankbarer und sühnender Gesinnung beigefügt werden. Diesem göttlich
weisen und liebenswürdigen Ratschluss der heiligen Vorsehung entspricht so
recht die denkwürdige Weihe, durch die Wir selbst die heilige Kirche und die
ganze Welt dem Unbefleckten Herzen der allerseligsten Jungfrau Maria in
feierlicher Form zugeeignet haben.»
Ebenso hebt Pius XII. die gemeinsame Mutterschaft hinsichtlich ihres
Sohnes und uns in einer Ansprache an die Polen bei Gelegenheit der Verteidigung
des Heiligtums von Jasna Gora am 8. Dezember 1955 hervor: «Sie ist die Mutter
Gottes und der Menschen, bei der sich in freigebigster Weise die Macht mit der Güte
paart.»
Was Pius XII. von der Vermittlung Mariens erwartete, hat er am
deutlichsten in dem Weihegebet an das Unbefleckte Herz Mariens zum Ausdruck
gebracht: «Wir weihen uns dir, o Mutter. Deinem Unbefleckten Herzen vertrauen
wir uns an, auf dass deine Liebe und dein Schutz den
Triumph des Gottesreiches erlangen und alle Völker, versöhnt
untereinander und mit Gott, von einem Ende der Erde bis zum anderen einstimmen
in dein Magnifikat: Ehre und Ruhm und Liebe und Dank sei dem Herzen Jesu. Ihm
sind die Kirche und das Menschengeschlecht geweiht. Auf ihn setzen wir all
unsere Hoffnung. Im Herzen Jesu wurde uns das Zeichen und das Unterpfand des
Sieges und der Rettung gegeben. In ihm allein finden wir die Wahrheit, das Leben
und den Frieden.»
Mit allem Nachdruck legte er dieses Ziel der Marienverehrung und der
Gnadenvermittlung Mariens in der Ansprache dar, die er bei Gelegenheit der
Heiligsprechung von Grignion von Montfort hielt: «Ihr seht in ihm den Führer,
der euch zu Maria und von Maria zu Jesus führt. Der freudlosen Strenge, dem düstern
Zwang und der stolzen Niedergeschlagenheit des Jansenismus stellt er die
kindliche, vertrauensvolle, glühende, überzeugende und tatenfrohe Liebe des
Dieners entgegen, der sich Maria übergeben hat, die Liebe zu ihr, der Zuflucht
der Sünder, der Mutter der göttlichen Gnade, unserem Leben, unserer Süßigkeit
und unserer Hoffnung. Sie ist auch unsere Fürsprecherin. Sie steht zwischen
Gott und den Sündern und wird vollkommen in Anspruch genommen durch das Anrufen
der Güte des Richters, um seine Gerechtigkeit zu mildern, und durch ihr Bemühen,
den Schuldigen ins Herz zu treffen, um sein Widerstreben zu überwinden. Die
wahre Frömmigkeit, welche in der Tradition verankert ist, die Frömmigkeit der
Kirche und — wie wir sehen können — des christkatholischen gesunden
Verstandes ist im Wesen auf eine Vereinigung mit Jesus unter der Führung
Mariens gerichtet.»
Nach der Ansicht Pius XII. erstreckt sich die Vermittlung Mariens nicht
nur auf die Erlangung des Gutes, das wir erstreben, sondern er weist auch auf
die Eigenart dieser Vermittlung hin, dass nämlich das erbetene Gut uns schnell
gegeben wird. Am 31. Oktober 1942, beim Jubiläum der Erscheinungen von Fatima,
erklärte Pius XII.: «Schließlich, wie die Kirche und die ganze Menschheit dem
Herzen Jesu geweiht wurden, damit dieses Herz, auf das jegliche Hoffnung gesetzt
wird, das Zeichen und das Unterpfand ihrer Rettung und ihres Sieges sei, so sind sie auch von diesem
Tage an für immer dir und deinem Unbefleckten Herzen, unserer Mutter, der Königin
des Friedens, geweiht, damit deine Liebe und dein Schutz den Triumph des
Gottesreiches beschleunige und dass alle Völker in Frieden miteinander und mit
Gott dich selig preisen.»
Im Juni 1946 sprach Pius XII. die Hoffnung aus, «dass seine Wünsche
durch das unbefleckte Herz Mariens gütig aufgenommen werden mögen und dass die
Stunde ihres Triumphes und die des Reiches Gottes beschleunigt werden möge».
Sein Bekenntnis zur Gnadenvermittlung Mariens fasste er schließlich am
prägnantesten in einer Ansprache an den 14. Kongress der Weltunion der
katholischen Frauenorganisationen zu Loreto am 29. September 1957 zusammen: «Die
Einheit zwischen Christus und der Frau hat ihren größten Glanz und ihre
vollkommenste Erfüllung in der Jungfrau Maria gefunden — Und das Wort ist
Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt —. Durch die Jungfrau Maria hat
Gott die menschliche Natur angenommen und hat sich zu den Kindern Adams gefügt.
Die Würde der Gottesmutterschaft hat über Maria die erhabensten Gnaden und außergewöhnliche
Vorrechte herabgerufen, hat sie vor der Erbsünde und vor jeder persönlichen Sünde
bewahrt, hat ihr den Glanz der
Tugenden und die Gaben des Heiligen Geistes geschenkt, hat sie innig teilnehmen
lassen an allen Geheimnissen des Lebens Christi, seines Leidens und Sterbens,
seiner Auferstehung, an der Fortsetzung seines Wirkens in der Kirche und in
seiner Königsherrschaft über alle Geschöpfe. Dies alles wurde ihr gegeben,
weil sie Mutter Gottes war und weil sie eine einzigartige Rolle in der Erlösung
der Welt spielen musste ... Die katholische Frau, die sich für das Apostolat
einsetzt und keine glühende Marienverehrerin sein wollte, ist beinahe ein
Widerspruch. Die Marienverehrung wird auch Christus besser verstehen lehren und inniger mit seinen
Geheimnissen verbinden. Ihr sollt Christus sozusagen aus den Armen seiner Mutter
empfangen, und sie wird euch lehren, ihn zu lieben und ihm zu folgen. Bittet
sie, dass sie euch die Kraft gebe, ihm bis zum Ende zu folgen, in Glauben und in
feuriger Liebe beharrlich zu folgen.»
In demselben Jahre (1957) legte er auf dem Laienkongress das Bekenntnis
seines praktischen Handelns ab: «Während dieser bewegten Jahre hat Maria, die
ruhmreiche und mächtige Himmelskönigin, ihren Beistand in den verschiedensten
Gegenden der Erde so deutlich und wunderbar fühlen lassen, dass Wir ihr mit
einem unbegrenzten Vertrauen alle Formen des Laienapostolates empfehlen.»
Was besagen alle diese Äußerungen Pius XII.? Dass er eine klar
umrissene Marienlehre vorträgt, die als lehramtliche Darlegung im ganzen den
Wert des gewöhnlichen Lehramtes, in einem Fall, in der Darlegung der
Himmelfahrt Mariens im Jahre 1950, die Form des außergewöhnlichen Lehramtes
beansprucht. Wir versuchen darum die einzelnen Gesichtspunkte hervorzuheben,
unter denen Pius XII. Maria als Mittlerin der Gnaden und Miterlöserin sah.
Die Grundtatsache im Leben Mariens ist ihre Gottesmutterschaft. Darum war
sie frei von jeder erblichen und persönlichen Verschuldung, wurde vom Heiligen
Geiste überschattet, gebar Christus in Wundern, lebte mit ihm stets in engster
Gemeinschaft zusammen, angefangen von Nazareth bis nach Kalvaria. Sie ist in
Wahrheit die leibliche Mutter Jesu in wirklicher Lebens- und Notgemeinschaft mit
ihm.
Die Gottesmutterschaft Mariens bedingte jedoch eine zweite Mutterschaft.
Christus war zugleich Haupt einer neuen Gemeinschaft, Haupt eines neuen Leibes,
Weinstock mit vielen Zweigen und Reben. Durch die Tatsache, dass sie Mutter des
Hauptes wurde, erhielt sie auch die Mutterschaft über die, die durch den
Heiligen Geist unter ihrem Sohn als Haupt vereinigt werden sollten. Diese
Mutterschaft wurde ihr auf Grund eines neuen Titels der Ehre und des Leides, als
sie unter dem Kreuze stand. Der Preis, den sie bezahlen musste, war das gänzliche
Opfer ihrer Mutterrechte und Mutterliebe mit der Hingabe ihres Sohnes an den
himmlischen Vater. Außerdem zahlte sie einen Preis, der, alles Leiden der Gläubigen
zusammengenommen, überragt — so tapfer und vertrauensvoll trug Maria ihr
Leid. Christus übergab ihr am Kreuze die Menschen, die unter ihm als Haupt
Glieder seines mystischen Leibes sein werden, aber andererseits gab er diesen
seinen Gliedern seine Mutter als kostbarstes Erbe. Dadurch wurde Maria den
Kindern Adams als eine neue Eva geschenkt. Der Bund, den diese Eva als
Vertreterin der Menschennatur mit dem Gottessohne nach Art einer geistlichen Ehe
vollzogen, war bereits in dem Augenblick der Menschwerdung des göttlichen
Wortes geschlossen worden. Mutter der neuen Menschheit wurde sie unter dem
Kreuze, als sie Mutterrechte über die Glieder des mystischen Leibes erhielt.
Somit bestehen zwei Bindungen zwischen Maria und Christus: Die der Mutterschaft
und die der Gefährtin. Daher stehen ihr zwei Titel für ihr Wirken und Bitten
zur Verfügung: Mutterschaft und Gefährtinnenrecht. Als Mutter stellte sie zu
Kana ihre Bitte, und Christus erhörte sie als Sohn. Als Mutter reichte sie
denen, die aus dem Juden- und Heidenland Christus anbeten wollten, das göttliche
Kind. Pius XII. folgert daraus, dass wir Jesus sozusagen aus den Armen der
Mutter empfangen und dass die Kirche als der mystische Leib Christi die Sorge
und Liebe des Mutterherzens Mariens beanspruchen darf und erhält. Die Geburt
dieses geheimnisvollen Leibes erfolgt aus der durchbohrten Seite Jesu. Diesem
mystischen Leibe erlangte sie die Gnade, dass der Geist, der ihm schon am Kreuze
Christi geschenkt wurde, am Pfingsttage in wunderbaren Gaben gegeben wurde.
Seitdem sie im Himmel, mit Leib und Seele in Herrlichkeit strahlend, bei ihrem
Sohne herrscht, lässt der Gottessohn die Herrlichkeit und Majestät seiner Königsherrschaft
auf sie herabstrahlen, so, dass, wie Jesus Christus König des Weltalls, Herr
der Herren ist, in dessen Hand das Geschick aller Völker liegt, so auch seine
hehre Mutter Maria, die Königin der Welt, geehrt und mit der fürbittenden
Macht ausgestattet ist. Somit beruht ihre Mittlerschaft auf ihrer Verbindung mit
Christus, die dauernde, nicht aufhebbare und innigste Abhängigkeit von Christus
ist, und auf ihrem Wirken, das Verdienstcharakter hatte und ihr Rechtstitel gab
— den des in freiem Ja geschlossenen geistlichen Ehebundes mit dem göttlichen
Wort — als anerkannte Vertreterin des menschlichen Geschlechtes — ihres
steten Umganges mit Christus und ihrer gänzlichen Hingabe an die Aufgabe des
Verzichtes auf Christus und der Übernahme der menschlichen Gemeinschaft — als
Gegenstand ihrer Sorge und des mystischen Leibes im besonderen und ihrer Liebe.
Doch dieses Verdienst und dieser Rechtstitel ihrer Mittlerschaft wurzelt
letztlich in der einzigartigen Willensbestimmung Gottes, wie es äußerst
deutlich der heilige Bernhard hervorhebt.
Somit hat Maria die Voraussetzungen für ihr Vermittlungswirken: Den göttlichen
Auftrag, die völlige Verbindung mit dem Quell jeglicher Gnade und die persönliche
Integrität, so, dass sie selbst im Besitz der Gnade, und zwar der höchsten ist
und sogar über einen persönlichen Rechtstitel verfügt, der sie zur Austeilung
der Gnaden berechtigt — ihr freies Ja zur Erlösung und Menschwerdung und ihre
Gemeinschaft mit dem Erlöser am Kreuz. Weil sie als Teilnehmerin an der Erlösung
der Welt eine einzigartige Rolle gespielt hat, wurde sie als Mutter und
Dienstmagd in der Austeilung der Gnaden mit dem König der Märtyrer verbunden.
Sie steht als Mittlerin zwischen den Menschen und Gott Vater. Denn sie
brachte ihm den göttlichen Sohn auf Golgatha dar — für die Menschen. Darum
bot ihm Pius XII. durch das unbefleckte Herz Mariens das göttliche Herz Jesu
an. Sie steht als Mittlerin zwischen Christus und den Menschen. Sie will sie der
Wahrheit und Gnade ihres Sohnes nahe bringen, sorgt für das Wachstum des
mystischen Leibes, dass unaufhörlich reiche Ströme der Gnade auf alle Glieder
des mystischen Leibes vom erhabenen Haupte herabfließen, strebt nach dem
Triumph des Gottesreiches, stützt die Kirche, versöhnt Gott mit den Sündern,
indem sie die Güte des Richters
anruft. Sie sorgt dafür, dass der Sünder seine Widerspenstigkeit aufgibt, dass
wir ihn lieben und ihm folgen lernen. Sie vermittelt die gewöhnlichen Gnaden
wie das Vorbereiten, Schließen und Sichern des Friedens in der Gerechtigkeit,
der Wahrheit und Liebe Christi als auch die außergewöhnlichen wie die Gnade,
die in einem Augenblick die Herzen umwandeln kann, oder die Gnade der
Beharrlichkeit, die das Konzil von Trient mit dem heiligen Augustinus als «großes
Gnadengeschenk» ihren Gläubigen vorhält.
Ebenso übergibt Pius XII. alle Formen des Laienapostolates wie auch sein
ganzes Pontifikat dem Schutze der Gottesmutter und betont als die wahre Frömmigkeit
die Vereinigung mit Jesus unter Führung Mariens. Nicht nur für den mystischen
Leib vermittelt Maria, sondern auch für die ganze Menschheit tritt sie ein. Sie
vermittelt das irdische Gut, den Frieden, den Trost und die Linderung in Ängsten
und Nöten, die Lösung in den Augenblicken des Zweifels, aber vor allem das
Heil des ganzen Menschengeschlechtes in Christus. Wie der Kirche, so schenkt sie
Ruhe in Sicherheit und Freiheit allen Völkern, ist für alle und in allen
Gefahren, Schmerzen, Tränen, Bitten und Nöten Helferin.
Über die Art der Vermittlung geben die Ansprachen Pius’ XII. einen überraschenden
Aufschluss. Der Papst sucht zur Erhellung dieser etwas dunklen Frage einen
einleuchtenden Vergleich. Der Gottmensch hat seine menschliche Natur als
Werkzeug für sein Wunderwirken und für seine Gnadenvermittlung benützt.
Ebenso haben die Sakramente und die Heiligen im Gnadenwirken eine werkzeugliche
Funktion. Pius XII. fragte darum verwundert, warum Maria nicht auch an der
Ausspendung der Früchte der Erlösung von Gott werkzeuglich eingeschaltet
werden könnte. Urheber der Gnade ist, wie Pius XII. mit allem Nachdruck häufiger
betont, Gott allein, und der eigentliche Gnadenmittler kann nur der Gottmensch
sein. Darum verbindet Pius XII. so eng wie möglich das Wirken Mariens mit
demjenigen Christi. Er stellt Maria in einer völligen Abhängigkeit von
Christus vor, da sie durch das Vorrecht ihrer Gottesmutterschaft und ihre
Berufung als Stellvertreterin der Menschheit — also als Gefährtin — in
organischster Weise mit Christus verbunden ist. Es handelt sich bei Christus und
Maria um eine Lebens-, Leidens- und schließlich auch im Himmel um eine
Gloriengemeinschaft, die durch die Stellung als Königin, da sie am Königtum
Christi in völliger Abhängigkeit teilnimmt, ihren höchsten Ausdruck findet.
Darum ist ihre Aufgabe, «Christus zu reichen, wie sie ihn den Vertretern des
Juden- und Heidenlandes gereicht hat», «in seine Geheimnisse einzuführen,
seine Tugenden zu lehren», «die Türen zum eucharistischen Gastmahl zu Öffnen»,
«den Sünder ins Herz zu treffen und seinen Widerstand zu brechen». «So ist
sie unaufhörlich um die Menschen, vor allem um den mystischen Leib bemüht,
damit endlich der Triumph des Gottesreiches sich zeige.» Da ja das göttliche
Herz das Unterpfand des Sieges und der Rettung und allein die Wahrheit, das
Leben und der Friede ist, so hat Maria als größte Aufgabe, «zu diesem Herzen
zu vermitteln». Den Charakter dieses Wirkens Mariens bezeichnet Pius XII.
gewissermaßen als «ein Herrschen über den Geist und Willen der Menschen» in
Vereinigung mit ihrem göttlichen Sohn. All diese Akte ihrer Tätigkeit sind
offenbar die «aktuellen», das heißt wirkenden Gnaden des Beistandes für
Geist und Willen, Herz und Gemüt.
Doch als eigentliche und vornehmste Art der Vermittlung Mariens
tritt bei Pius XII. die fürbittende Macht Mariens hervor. Dass sie Christus
vermitteln, jegliches Gut schenken kann, beruht samt und sonders auf der
Eigenart ihrer Fürbitte. Wegen der Verbindung Mariens mit Christus, besonders
wegen ihrer Teilnahme am Erlösungswerk, schließlich wegen ihrer persönlichen
Heiligkeit und Reinheit ist ihre Fürbitte so wirksam, dass Maria stets der Erhörung
sicher ist, so universal, dass Pius XII. sich auf die Geschichte und die
Erfahrung der Kirche und der christlichen Generation berufen konnte, um alle
auffordern zu müssen, in jeglichen Anliegen sich Mariens Fürbitte
anzuvertrauen, so, dass er schließlich die ganze Welt ihrem Herzen und ihrer Fürbitte
anheim gab. Ihre fürbittende Macht bezeichnete Pius XII. mit den Worten Leos
XIII. als fast unbegrenzt und begründet dies durch die Worte Pius' X. mit der
Ausübung dieses Fürbitteamtes sozusagen kraft mütterlichen Rechtes. Diese Fürbitte
wird von Maria nicht willkürlich betrachtet, sondern ist in ihre Liebe und ihre
Abhängigkeit von Gottes und Christi Willen gebettet, da sie vom göttlichen
Willen erfüllt ist.
Darum weihte ihr Pius XII. die mannigfachsten Titel: Mächtige,
ja mächtigste, lieblichste, freigebigste, gütige, ja gütigste Mutter, bei der
sich Güte und Macht in freigebigster Weise paaren, die von niemand außer von
Gott an Unschuld und Heiligkeit überragt wird, die mit allen himmlischen
Gnaden, die im Schatze Gottes aufgehäuft sind, beschenkt ist — sie ist mit
einem Worte die Mutter der Barmherzigkeit, unser Leben, unsere Süßigkeit
und unsere Hoffnung.
Was ihre Fürbitte speziell auszeichnet, ist die Tatsache, dass
dieses Fürbittgebet Mariens nicht nur gibt, was Christus uns geben möchte —
also Christus, sondern vor allem sein Herz, das unsere Zuflucht ist, und dass es
bewirkt, dass Christus und seine Gnaden uns auf einem schnelleren Wege zukommen
lässt und die größte Gabe Christi, «der Heilige Geist, uns in reicherer Fülle
mit den wunderbaren Gaben gegeben wurde» als am Kreuze.
Die Art der Vermittlung trägt darum einen zweifachen
Charakter: Den der Gabe, die uns Christus selbst gegeben hätte, und den des
beschleunigten und reichlicheren Schenkens.
Die Vermittlung Mariens erscheint erst in diesem Lichte in ihrer
weitreichenden Bedeutung für das Leben der Kirche, der Gläubigen und der
ganzen Welt, so, dass Pius XII. mit Recht nach dem Vorgang Leos XIII. das Wort
Dantes zitieren konnte: Denn über eine solche Macht verfügt die selige
Jungfrau bei ihrem Eingeborenen, dass, wer auch immer als Hilfsbedürftiger
nicht zu ihr eilt, zu fliegen versucht — wie Dante singt — ohne Ruderschlag
der Flügel.
Was die Bezeichnung «Maria, Mittlerin der Gnaden» betrifft, so hat Pius
XII. sich nicht so sehr um die Abgrenzung des in der Theologie hart umstrittenen
Ausdrucks wie auch des Titels «Miterlöserin» bemüht, sondern sein Anliegen
galt der Sache. In der Jubiläumsansprache von Fatima fasst er denselben
Gedanken in verschiedenen Anreden zusammen: «Mutter der Barmherzigkeit, unsere
Königin, unsere Fürsprecherin, Mittlerin seiner (Christi) Gnaden». Gerne
weist er auf das bittende Dazwischentreten (Intercessio, deprecatio) Mariens
hin, auf ihren Schutz (tutela, patrocinium). Bis zu seiner letzten Ansprache auf
dem marianischen und mariologischen Kongress in Lourdes im September 1958 gab er
die von der Tradition und dem kirchlichen Lehramt eingehaltene Linie, die er in
seinem ganzen Pontifikat, wie wir gesehen haben, eingehalten und deutlich
hervorgehoben hat. Auch in den letzten Jahren und Monaten tritt der Sache nach
keine Abschwächung ein. Die universale und wirksame Fürbittgewalt Mariens
fordert ihn in allen Augenblicken der Gefahr, Krise und Drohung zum Vertrauen
auf Maria und blieb bis zu seinem Tode im Banne der Weltweihe an das unbefleckte
Herz Mariens.
Wenn Pius XII. die Dogmatisierung der Mediatrix nicht vollzog, so setzte
er doch eine Tat, die einer lehramtlichen Besiegelung dieses marianischen
Privilegs gleichkam. Dies geschah durch die Einführung des Festes «Maria Königin».
Maria, die für ihre Aufgabe von Gott durch das Vorrecht der unbefleckten Empfängnis,
des Freiseins von jeglicher persönlichen
Schuld, der Aufnahme in den Himmel, der Fülle der Tugenden und Gaben des
Heiligen Geistes geformt und bereitet worden ist, wurde in einem einzigen
Beschluss, wie Pius IX. darlegte, zur Erlösung des Menschengeschlechtes mit
Christus so vereint, dass sie auch von seiner Königsherrschaft nicht getrennt
werden kann. So herrscht sie in Abhängigkeit von und in Verbindung mit ihm über
die ganze Schöpfung. Die Art ihrer Herrschaft ist die der Vermittlung der
Gnaden. So war es nicht zufällig, dass Pius XII. das Fest der Mediatrix, das
liturgisch in nicht wenigen Diözesen und Orden am 31. Mai gefeiert wurde, nahm,
um an dem Tage Maria als Königin feiern zu lassen. Ausdrücklich begründete er
die königliche Herrschaft Mariens u. a. mit der Macht ihrer Vermittlung, «die
neue Eva, die dem neuen Adam beigegeben ist mit der königlichen Vollmacht, die
Schätze des Reiches des göttlichen Erlösers auszuteilen ...» mit der unerschöpflichen
Wirksamkeit ihrer mütterlichen Fürsprache beim Sohne und beim Vater.»
Dieses Ineinander beider, von Christkönig und Maria, der Königin, ist
nach den Worten Pius' XII. so innig, dass das eine das andere bedingt, so, dass
die Gnadenvermittlung Mariens als die organische, darum wesentliche Tätigkeit
im mystischen Leibe betrachtet werden muss, wie Pius XII. in seiner
Radiobotschaft an den Marianischen Kongress in Südafrika am 4. Mai 1952
darlegte: «Er ist auferstanden in der Natur, die er angenommen hat. Wäre er
nicht gestorben, dann hätte er auch nicht auferstehen können. Und hätte er
keinen fleischlichen Leib gehabt, so hätte er nicht sterben können
(Augustinus). O Königin des Himmels, freue dich ... Die Katholiken, die die
Mutter geehrt haben, beten den Sohn an, während die, welche jetzt aufgehört
haben, den Sohn anzuerkennen, angefangen haben, die Mutter zu verspotten»
(Newman).
Es bleibt uns keine andere Wahl, als dass wir Christus empfangen durch
Maria. Darum irren jene, die betört durch die List des bösen Feindes oder
irregeführt durch falsche Vorurteile, meinen, die Hilfe der Jungfrau entbehren zu können.
Hl. Papst Pius X.
Wir leben in einem marianischen Zeitalter, in einer Zeit, in der der
Heilige Geist die Herrlichkeit Mariens durch den Mund der Kirche in immer,
hellerem Lichte erstrahlen und ihre heilsgeschichtliche Sendung immer deutlicher
spürbar werden lässt.
Papst Johannes XXIII.
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