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VORWORT
Nach dem
marianischen und mariologischen Kongress in Lourdes vom 10. bis 17. September
1958 scheint eine gewisse Zurückhaltung in der Diskussion um den Titel «Maria,
Mittlerin aller Gnaden» und «Maria, Miterlöserin» eingetreten zu sein.
Dieser Eindruck wurde noch verstärkt durch die Bemerkung Pius XII. gegenüber
P. Leiber S. J. nach dem besagten Kongress: «Was die Fragen der Mediatrix
(Mittlerin) und Corredemptrix (Miterlöserin) angeht, hat Pius XII. noch wenige
Wochen vor seinem Tod, in den Tagen gleich nach Beendigung des mariologischen
Kongresses in Lourdes geäußert, die beiden Fragen seien zu ungeklärt und zu
unreif. Er habe in seinem ganzen Pontifikat bewusst und absichtlich vermieden,
Stellung zu ihnen zu nehmen, sie vielmehr der freien theologischen
Auseinandersetzung überlassen. Er denke nicht daran, diese Haltung zu ändern»
(Stimmen der Zeit, November 1958).
Seit dem denkwürdigen
mariologischen Kongress in Lourdes und demjenigen von Rom (12.—17. Mai 1975)
haben die Diskussionen über die Mittlerschaft Mariens nicht aufgehört. Im
Gegenteil: auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil flammten sie mit neuer
Heftigkeit auf. Obwohl das Konzil nicht beabsichtigte, in die theologischen
Diskussionen um diese Frage einzugreifen, konnte es doch nicht umhin, ein klärendes
Wort über den Begriff der Mittlerschaft bezüglich der Rolle, die Maria im
Heilswerk spielt, zu sagen. Dazu kam, dass das Konzil sich eine freiwillige
Beschränkung in der marianischen Frage auferlegte. Es wollte Maria nur in ihrer
Beziehung zur Kirche sehen, wie es auch das Rahmenthema des Konzilsplanes
vorsah: also als vornehmstes Glied, und zugleich als Mutter der Kirche.
Nach dem Konzil
machte es sich Paul VI. zur Aufgabe, wie in den anderen Fragen auch in der
marianischen die Lehre des Konzils zu interpretieren. So gab er u. a. die
magistralen Schreiben «Signum Magnum» (Das Große Zeichen) — 1967 — und «Marialis
Cultus» (Über die Verehrung Mariens) — 1974 — heraus. Wie das Konzil
suchte er den Titel «Mittlerin» und «Miterlöserin» zu vermeiden. Doch was
entscheidend ist — die Sache selbst lässt sich nicht ausklammern.
Während man
auf dem Konzil und auch später fürchtete, die marianische Frage, besonders die
der Mittlerin werde zu einer Belastung, ja zum Abbruch der ökumenischen Gespräche
führen, zeigte sich aber, dass der mariologische Kongress dieses Jahres eine
gemeinsame Basis absteckte, auf der weiter auf die Einheit auch im marianischen
Verständnis hin gearbeitet werden konnte. Auffallend war das Bekenntnis, dass
die Bibel Zeugnis von der Mitwirkung Mariens am Werk der Menschwerdung und dem
Erlösungstod Christi wie sogar von ihrer Aufgabe der Fürsprache gibt. Wie das
Konzil bejahten alle Vertreter der orthodoxen und reformatorischen Kirchen im
wesentlichen die in den Konzilsakten niedergelegte Lehre über Maria, wenigstens
im Grundansatz und teilweise in den Folgerungen.
Wenn auch der
veröffentlichte Text nicht von offiziellen Vertretern der jeweiligen
kirchlichen Gemeinschaften unterzeichnet war, sondern nur von den jeweils zuständigen
Fachtheologen, so besitzt er doch eine grundlegende Ökumenische Bedeutung für
die Theologie, wie der Osservatore Romano bemerkt: «In der Wiederentdeckung der
Rolle Mariens haben die getrennten christlichen Gemeinschaften einen
Begegnungspunkt mit den Kirchen, die der Mutter Gottes eine ihrer Würde und außerordentlichen
Bedeutung entsprechende Verehrung zollen. Diese Verehrung ist eine logische
Folge der Mariologie, zu der man sich in Ephesus bekannte und die auf der
Heiligen Schrift gründet.» (O.R. 14. 6. 1975). Doch wir möchten wieder auf
Pius XII. zurückgreifen, der auch Gedanken über den Wert der Tradition in
seiner Radioansprache an den marianischen Kongress zu Rom am 24. Oktober 1954
ausgeführt hat, um die Mariologie der Kirche zu verstehen, die sich in der
Entwicklung ihrer Offenbarungslehre, besonders der Glaubenslehre über Maria von
dem Wirken des Heiligen Geistes treiben lässt, so, dass die Schrift nur das
Samenkorn ist, das sich unter der fruchtbaren Überschattung des Heiligen
Geistes entfaltet: «Wenn diejenigen, die sich mit der Mariologie beschäftigen,
die Zeugnisse und Dokumente der früheren oder der jetzigen Zeit erforschen und
erwägen, sollen sie sich ganz und gar die ewige, stets wirksame Leitung des
Heiligen Geistes vor Augen halten, damit sie in rechter Weise das Gewicht der
Worte und Taten erwägen und vorlegen.»
Ebenso
bedeutsam ist die Darlegung Pius XII. bei Gelegenheit der Heiligsprechung des
bedeutendsten Verteidigers der Mittlerschaft Mariens, des heiligen Grignion von
Montfort, am 21. Juli 1947: «Die wahre Frömmigkeit, welche in der Tradition
verankert ist, die Frömmigkeit der Kirche und — wie Wir sagen können — des
christkatholischen gesunden Verstandes, ist im Wesen auf eine Vereinigung mit
Jesus unter Führung Mariens gerichtet. Die Kirche lässt ihren Kindern in den
Grenzen der gesunden und sicheren Lehre, der Rechtgläubigkeit und der Würde
der Religion eine geziemende Freiheit. Sie ist sich übrigens davon bewusst,
dass die wahre und vollkommene Frömmigkeit zu Unserer Lieben Frau nicht so an
eine Erscheinungsform gebunden ist, dass eine sich als allein berechtigte sollte
aufwerfen können.» Darum ist beabsichtigt, im Lichte all dieser Erklärungen
die lehramtliche Darlegung über das angegebene marianische Thema der Mittlerin
aller Gnaden und Miterlöserin, soweit wie sich Leo XIII., Pius X. und Pius XII.
geäußert haben, zu betrachten. Die Ausführungen Pius' XII. sollten auf dem
Zweiten Vatikanischen Konzil große Bedeutung erhalten. Darum musste sich eine
eingehende Behandlung der Lehre des Konzils wie auch des Papstes des
Konzils, Pauls VI.,
anschließen. Wegen der Auseinandersetzungen auf
und nach dem mariologischen Kongress in Lourdes haben wir vor allem die Verlautbarungen Pius XII. einer besonderen
Untersuchung unterzogen.
Nenne ich
Dich Himmel, so thronst Du noch höher. Verkünde ich Dich als Mutter der Völker,
so bist Du mehr als das. Grüße ich Dich als Abbild und Abglanz Gottes, so sage
ich nicht zu viel. Nenne ich Dich Königin der höchsten Weisheit: Das alles
bist Du.
Hl.
Augustinus, Kirchenlehrer +
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Ja, lasst
uns Maria verehren mit dem innersten unseres Herzens, mit der ganzen Hingabe
unseres Gemütes und mit aller Sehnsucht; denn das ist der Wille dessen, der
wollte, dass wir alles durch Maria empfangen sollten.
Papst
Johannes XXIII
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