Frau Monika Zurhorst,
ehem. Lehrerin am Haus Overbach erinnert sich
Glaube und Wissen
Was mich bei Pater Pauels
besonders beeindruckt hat, das war seine Frömmigkeit. Und ich glaube, dass seine
Frömmigkeit der Schlüssel war zu seiner großherzigen und liebenswürdigen
Persönlichkeit.
Von 1958 bis 1974 war ich
als Lehrerin in Overbach. Und so kam ich dorthin: Das Schuljahr 1957/58 hatte
ich als Assistentin für den Deutschunterricht an einer Schule in England
verbracht. Dort erhielt ich eines Tages einen Brief von Pater Pauels (den ich
noch nicht kannte). Er fragte an, ob ich nach dem Englandjahr nach Overbach
kommen wolle; die Schule brauche eine Lehrperson für Deutsch und Erdkunde, und
ich sei ihm empfohlen worden. Aber ich lehnte ab: Ich wollte an meine frühere
Schule im Ruhrgebiet zurück; das war bereits mit Direktorin und Schulkollegium
vereinbart. Außerdem schien mir Overbach - eine kleine Jungenschule am Ende der
Welt - nicht besonders interessant zu sein.
Aber in den Pfingstferien,
die ich in Deutschland verbrachte, sah ich Overbach. Es war eigentlich ein
Zufall - wenn es denn Zufälle gibt. Ein Kollege schlug eine Eifeltour vor, da
kam mir der Gedanke, dass wir einen Abstecher (!) nach Overbach machen könnten.
Wir waren begeistert, als
wir den Klosterbereich sahen. Alles grünte und blühte; auf dem Weiher am Schloss
zogen Schwäne ihre Bahn. Eine heilige Stille herrschte - die Schüler hatten ja
Ferien! Der Brunnen am Franz-von-Sales-Denkmal plätscherte leise inmitten der
Blumenpracht.
Ein ehrwürdiger
Klosterbruder mit weißem Bart kam freundlich auf uns zu. Er brachte uns zu Pater
Biermann, der uns dann alles zeigte: Internat und Schule, Schloss und Kapelle,
Küchenbau, Wirtschaftsgebäude, Garten und Park. Pater Pauels war nicht da.
Natürlich nicht! Sage ich aus späterer Sicht. In den Ferien war er ja fast immer
unterwegs: zu Vorträgen, Exerzitien, Gebetsnächten; weiß der Himmel, wo er
überall war.
Unser Eindruck von
Overbach war: Es ist was Besonderes! Nach England zurückgekehrt, schrieb ich
Pater Pauels, ich würde nun doch gern sein Angebot annehmen, falls sich die
Abmachung mit meiner früheren Schule rückgängig machen ließe und das
Schulkollegium in Düsseldorf einverstanden wäre. P. Pauels nahm die Sache in die
Hand, und nach den Sommerferien konnte ich in Overbach anfangen.
Aber noch während der
Ferien lernte ich Pater Pauels kennen; unerwartet besuchte er mich bei meinen
Eltern in Bonn. Wir waren beeindruckt von seiner Einfachheit. Bevor er wieder
aufbrach, zog er ganz unbefangen ein Bündel Geldscheine aus seinem Habit hervor.
Mein künftiger Chef brachte mir persönlich mein erstes Overbacher Gehalt!
Overbach war damals noch
Progymnasium. P. Pauels bemühte sich um die staatliche Anerkennung der Schule
und plante den Aufbau der Oberstufe. Dies war für uns Lehrer mit einigen
Lehrproben verbunden: Es kamen Leute aus Düsseldorf oder Aachen, um sich unseren
Unterricht anzusehen. Fast wie in der Referendarzeit, dachte ich. Aber es machte
mir Spaß, mich am Aufbau dieser Schule zu beteiligen.
Pater Pauels war
zuversichtlich: Er hatte ja die Schule dem Schutz der Gottesmutter anvertraut!
Und so wurde Overbach
staatlich anerkannt, und das Gymnasium wuchs.
Pater Pauels war ein
großer Marienverehrer. Oft sah man ihn am Marienaltar in der Kapelle knien, bei
dem schönen Marienfenster, das Herr Jansen-Winkeln, Kunsterzieher in Overbach,
entworfen hatte. Pater Pauels hatte ein geradezu kindliches Vertrauen zu Maria,
und vermutlich traf er keine Entscheidung ohne sie. Ich habe auch keine Predigt
von ihm gehört, in der er nicht wenigstens am Schluss der Gottesmutter gedachte.
Und er, der Direktor, sagte einmal: „Maria ist die Direktorin der Schule!“
Durch Maria zu Christus.
Es kam natürlich vor, dass
sich Schüler über den einen oder anderen von uns Lehrern beschwerten. Bei einer
solchen Gelegenheit hat Pater Pauels zu den Jungen gesagt: „Ihr habt nur einen
Lehrer: Christus!“
Dies war Trost und Mahnung
zugleich. Und den - vermeintlichen oder tatsächlichen - Lehrerfehlern wurde ein
wenig von ihrem Gewicht genommen.
Pater Pauels war geistig
jung und aufgeschlossen.
Er interessierte sich
nicht nur für Theologie und für die Wissensbereiche der Unterrichtsfächer - ich
glaube es waren sechs - für die er die Lehrbefähigung hatte. Er schien sich
eigentlich für alles zu interessieren, was die Welt bewegte, auch z. B. für
Fragen des Zeitgeschehens und der politischen und gesellschaftlichen
Entwicklung.
Er hatte ein umfangreiches
Wissen. Und die Verbindung von Wissen und Glauben machte seinen Blick weit und
ermöglichte ihm ein sicheres Urteil in allen wesentlichen Fragen des Lebens. Bei
Pater Pauels gab es keinen Gegensatz zwischen Glauben und Wissen. Durch den
Glauben konnte er vielmehr sein Wissen sinnvoll einordnen; und sein Wissen
wiederum schien ihm in seinen Glauben noch zu bestärken.
Pater Pauels war mit Herz
und Verstand katholisch. Die Lehre der Kirche war für ihn ein göttliches
Geschenk. So hätte er niemals einzelne Glaubenswahrheiten ausklammern oder
umdeuten können. Niemals hätte er subjektiven Erfahrungen und Meinungen ein
gleiches oder gar größeres Gewicht beigemessen als der Lehre der Kirche.
Er war vor allem Priester.
Er wusste noch um die segensreiche Macht, die dem Priester bei seiner Weihe
verliehen wird.
Es gibt bekanntlich viele
Menschen, die durchaus gläubig sind, aber ihren Glauben nur halbherzig in ihrem
Leben umsetzen. Bei P. Pauels war das anders. Er war konsequent als Christ und
als Ordensmann.
Das zeigte sich z. B. in
seinem Verhältnis zur Armut.
Sicher, er hatte ebenso
wie seine Mitbrüder das Ordensgelübde der Armut abgelegt; aber das Klosterleben
ließ doch einen gewissen Spielraum. P. Pauels wollte nichts besitzen, nicht
einmal Bücher. Ein Pater sagte einmal, wenn P. Pauels ein Buch geschenkt
bekomme, das ihn interessiere, dann lese er es, und nach wenigen Tagen gebe er
es zurück.
Er liebte die Armut.
Pater Pauels war um
Frieden bemüht.
Und wenn er glaubte, einem
Mitmenschen Unrecht getan zu haben, dann versuchte er, dies gutzumachen. Das
sahen wir auch bei der letzten Lehrerkonferenz 1974 vor seinem Abschied von der
Schule. Er sagte - und man konnte es sehen, dass ihm dies nicht leicht fiel -
wenn er jemandem Unrecht getan habe, dann bitte er um Verzeihung. Wir staunten.
Welcher andere Schulleiter oder welcher Chef überhaupt brächte das fertig.
P. Pauels war überzeugt
als Christ.
Er hatte ein großes Herz
für die Schüler. Und die Schüler wussten das. Wie beliebt er war, das zeigte
sich besonders bei seiner Verabschiedung aus dem Schuldienst.
Er hatte die - für
staatliche Schulen bindende -Altersgrenze erreicht; aber für Privatschulen gab
es keine Bestimmung, die eine Altersgrenze festsetzte. Und von
Ermüdungserscheinungen konnte bei Pater Pauels keine Rede sein. Fast die gesamte
Schulgemeinde bedauerte seine Abberufung durch den Orden. Aber alle Versuche, P.
Provinzial Esser umzustimmen, mussten scheitern, weil er bereits für das
kommende Schuljahr 1974/75 einen weltlichen Nachfolger für P. Pauels bestellt
und diesem die Oberstudiendirektorenstelle wohl schon verbindlich zugesagt
hatte. Pater Pauels erwies sich wieder als echter Ordensmann. Er fügte sich
einfach und, wie es schien, ziemlich gelassen der Entscheidung seines Oberen.
Schüler, Eltern und Lehrer
aber ehrten ihn zum Abschied mit einem großen Fackelzug.
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